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Wohldefinertheit

Universität / Fachhochschule

Tags: Lineare Algebra

 
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anonymous

anonymous

23:21 Uhr, 03.05.2004

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Hallo,



ich bin auf der Suche nach einer Erklärung für den Begriff "Wohldefiniert". Wann kann man behaupten eine Definition ist Wohldefiert?



Vielen Dank!



mareike

Online-Nachhilfe in Mathematik
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quidam

quidam

04:19 Uhr, 04.05.2004

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Hallo Mareike!



Eine phantastische Frage! Und ich bin dafür, dass hier noch einige Leute ihre Ideen dazu äußern. Aber lass mich versuchen, einen ersten Gedanken zur Antwort zu formulieren:



Eine mathematisches Objekt ist wohldefiniert, wenn es keine inneren Widersprüche aufweist.



Am besten läßt sich das mit einem Beispiel erklären, und wenn ich einen Moment nachdenke, dann glaube ich, dass sich alle die Fälle, in denen ich es mit dem Problem der Wohldefiniertheit zu tun hatte, in diesem Beispiel wiederfinden:

Einer der zentralen Begriffe der heutigen Mathematik ist wohl die Abbildung von einer Menge in eine andere. Hierbei wird JEDEM Element der ersten Menge GENAU EIN Element der zweiten Menge zugewiesen. Das ist in Kurzform die Definition einer Abbildung.

Im Laufe des Studiums begegnet man vielen Abbildungen, bei denen beide Punkte (JEDEM und GENAU EIN) direkt einsichtig sind. Das ändert sich so ungefähr das erste Mal, wenn es in der Linearen Algebra zur Definition der Determinanten kommt – in der Leibnitzformel.

Dort stellt sich die Frage, ob die Determinanten-Abbildung (von der Menge der n x n-Matrizen über dem Körper K in den Körper K) wohldefiniert ist. Wo steckt das Problem?

Die Definition mit der Leibnitzformel benutzt das Signum einer Permutation: Eine Abbildung von der Menge der Permutationen von n Zeichen in die Menge {+1, -1} mit

Sign(Permutation) = +1 , falls die Permutation mit einer geraden Anzahl von Transpositionen dargestellt werden kann

Sign(Permutation) = -1 , falls die Permutation mit einer ungeraden Anzahl von Transpositionen dargestellt werden kann

(Ich hoffe, dass Du mit diesen Begriffen vertraut bist, wovon ich aber ausgehe, da Deine Frage, wie schon erwähnt, in diesem Zusammenhang das erste Mal richtig diskutiert wird).

Und hier ist die Frage der Wohldefiniertheit wahrlich nicht mehr offensichtlich: Warum sollte eine Permutation nicht mit gerader UND ungerader Anzahl von Transpositionen darstellbar sein? In diesem Fall würden wir dieser Permutation ZWEI Werte (nämlich +1 und -1) zuweisen, was nach der Definition einer Abbildung nicht erlaubt ist ... innerer Widerspruch! Wenn dem so wäre, dann wäre auch die Determinante nicht wohldefiniert. Um also die Wohldefniniertheit der Determinante zu zeigen, muss gezeigt werden, dass das Signum wohldefiniert ist, und dazu muss man zeigen, dass eine Permutation ENTWEDER mit einer geraden Anzahl von Transpositionen dargestellt werden kann ODER mit einer ungeraden Anzahl... aber niemals beides zugleich.

Dies war das klassische Beispiel.

Nun ein einfacheres:

Die Abbildung von IR nach IR mit x -> Wurzel(x) ist nicht wohldefiniert, denn den negativen reellen Zahlen wird KEIN Wert in IR zugewiesen.

Auch IR -> IR mit x -> 1/x ist nicht wohldefiniert, denn 0 findet kein Bild. Nun kann ich entweder die 0 aus der Urbildmenge herausnehmen (IR\{0}->IR} oder aber ich „erfinde“ ein zusätzliches Element für die Bildmenge, das ich (zufälliger Weise) „unendlich“ nenne, und lege „von Hand“ fest, dass „unendlich“ das Bild von 0 ist. Dann ist alles wieder gut, d.h. wohldefiniert.

Überall, wo Du es mit Objekten zu tun hast, die nicht unter allen Umständen existieren, wie z.B. Grenzwerte, ist es gut zu fragen, ob die Definition, die diese Objekte enthält, auch wohldefiniert sind, d.h. dass die Existenz in jedem Fall gesichert ist, oder aber im Falle der Nicht-Existenz dennoch keine Widersprüchen auftreten.

Der letzte große Bereich, in denen ich Wohldefiniertheit bisher diskutieren durfte, ist der Bereich der Äquivalenzklassen. Wenn Du mehrere Elemente zu einem einzigen Element (Klasse) zusammenfasst, und dieses dann in einer Definition verwendest (z.B. das Rechnen mit Äquivalenzklassen), dann musst Du meistens auf die konkreten Elemente, aus denen diese Klasse besteht, zurückgreifen. Hier musst Du für die Wohldefiniertheit dafür sorgen, dass die Definition von der konkreten Wahl Deines Elements nicht abhängt, da die Definition sonst nicht das EINE Objekt (die Klasse) verwendet. (Wieder werden im unglücklichen Fall einem Objekt mehrere „Werte“ zugewiesen.)

So, das genüg erst mal zum nachdenken, Frage bitte, wenn etwas unverständlich ist.



Gruss, Ben.